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Ankara

1947—1952 7 Minuten Lesezeit
Ankara, Hauptbahnhof, um 1950. Historische Postkarte.

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Bankalar-Caddesi
Die Bankenstraße in Ankara mit
dem Ausstellungsgebäude, das
später zum Opernhaus umgebaut
werden sollte, 1940er Jahre.

In Ankara trat Renato Mordo 1947 als Leiter der Staatsoper die Nachfolge von Carl Ebert an, mit dem er aus seiner Darmstädter Zeit gut bekannt war.  Neben Ebert waren bereits Paul Hindemith, Ernst Praetorius und der Mainzer Musikpädagoge und Dirigent Eduard Zuckmayer am Aufbau der Oper und des Konservatoriums beteiligt gewesen. Der Architekt Clemens Holzmeister entwarf nicht nur zahlreiche Ministeriengebäude in Ankara, sondern gestaltete auch Bühnenbilder.

Atatürks Ziel war es, einen modernen, weitgehend säkularen türkischen Staat zu schaffen, geprägt durch die Trennung von Staat und Religion. Nach Gründung der Republik 1923 brachte er mit der Republikanischen Volkspartei tiefgreifende Reformen auf den Weg, um das Land auf den gleichen Entwicklungsstand mit dem Westen zu bringen. Neben Umstrukturierungen in den Bereichen Gesellschaft, Politik, Recht und Bildung war das Ziel auch die Schaffung einer modernen türkischen Musik- und Theaterkultur. Kunst und Theater waren nunmehr öffentliche Dienstleistungen, die Eröffnung des Staatlichen Konservatoriums und des Staatstheaters in Ankara waren das Ergebnis dieser Initiativen.

Um die Modernisierung voranzutreiben, lud die türkische Regierung zahlreiche Experten und Berater aus Europa – in erster Linie aus Deutschland und Österreich – ein. Gerade nach 1933 wurde die Türkei damit zum rettenden Hafen für etwa 200 verfolgte jüdische und oppositionelle Wissenschaftler und ihre Familien. Sie fanden hier Zuflucht und Anstellung in einer Zeit, in der ihnen vielerorts ein Visum verweigert wurde. In keinem anderen Land von vergleichbarer Größe gab es eine solch große Zahl von emigrierten Wissenschaftlern und Fachleuten an staatlichen Einrichtungen. Auch in den ab August 1944 geschaffenen inneranatolischen Internierungsorten konnten die Emigranten weitgehend frei ihre Kultur ausüben.

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Das Opernhaus in Ankara. Das 1933 von Şevki Balmuncu als Ausstellungszentrum konzipierte Gebäude wurde in den späten 1940er Jahren von Paul Bonatz zum Opernhaus umgebaut und am 2. April 1948 mit der Aufführung der ›Carmen‹ offiziell eröffnet.

Mordo inszenierte an dem noch jungen Haus – oftmals in deutscher Erstaufführung – vor allem klassische italienische und französische Opern. Neben seiner Tätigkeit als Oberspielleiter an der Oper wirkte er auch als Dozent am Staatlichen Konservatorium und führte Gastspiele in Istanbul durch.

Die Entschiedenheit, mit der in der Türkei auch auf kulturellem Gebiet eine umfassende Modernisierung nach westlichem Vorbild angestrebt wurde, hob Renato Mordo in einem 1953 entstandenen Rundfunkessay zu seinen Jahren in Ankara hervor. Zugleich wies er auf die künstlerische Tradition des Landes als potentielle Inspirationsquelle für Europa hin.

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Carmen-Deckblatt
Beiheft zur Aufführung der ›Carmen‹
im Jahr 1948 mit einem Beitrag Mordos.

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