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Prag – Die erste Station des Exils

1932—1939 7 Minuten Lesezeit
Der Hradschin in Prag. Historische Postkarte.

1932 ging Renato Mordo als Oberspielleiter der Oper an das Neue Deutsche Theater in Prag. Trude Wessely wurde als Schauspielerin an das Haus engagiert. Mordo war parallel dazu an der Deutschen Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Prag Dozent für Operndramaturgie und Regie. In Prag lernte er auch den Schriftsteller und Kafka-Herausgeber Max Brod kennen.

Stilistisch knüpfte er an seine Darmstädter Aufführungen an, wandte sich aber auch populären Formen wie der Revue zu. Neben den Klassikern der Oper inszenierte er auch zahlreiche Werke mit tschechischem bzw. österreichischem Lokalkolorit.

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Karikaturen Renato Mordos und Trude Wesselys aus dem Band ›50 Jahre Neues Deutsches Theater in Prag. Beiträge zum Jubiläum. 1888—1938‹. Prag, 1938.

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Dekret zur Berufung Renato Mordos an die Deutsche Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Prag, 1932.

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Besetzungszettel verschiedener Aufführungen des Neuen Deutschen Theaters Prag mit Trude Wessely aus den 1930er Jahren.

Der deutsche Einmarsch ins Sudetenland im Oktober 1938 und die sich wenige Monate später anschließende Zerschlagung der Tschechoslowakei zwang die Familie Mordo erneut zur Flucht. Nachdem ein Versuch der Übersiedlung nach Amerika scheiterte, gelang der Familie schließlich die Ausreise nach Athen.

Ein besonders wertvolles biographisches und historisches Zeugnis bilden die 1984 entstandenen Aufzeichnungen zur Geschichte der Familie Mordo von Peter Mordo, dem Sohn von Renato Mordo und Trude Wessely. Sie enthalten auch eine anschauliche Darstellung der zunehmend bedrängten Situation im Prager Exil.

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Links: Referenzschreiben der Direktion
des Neuen Deutschen Theaters Prag zur Erleichterung der Emigration von Renato
Mordo, Trude Wessely und anderen Ensemblemitgliedern nach Amerika. Prag, 1938.
Rechts: Durchlass-Schein der Gestapo für Renato Mordo und seine Familie zum Verlassen der Tschechoslowakei. Prag, 1939.

Die nationalsozialistische Herrschaft zerstörte und vertrieb die einzigartige Kultur aus den kurzen Jahren der Weimarer Republik. Diese war geprägt von modernen, zukunftsweisenden Strömungen, von Aufbruch und Neuorientierung in Kultur und Wissenschaft. Die Zahl der aus politischen oder rassistischen Gründen nach 1933, aus dem deutschen Herrschaftsbereich, Vertriebenen beläuft sich auf etwa 500.000 Personen. Rund 360.000 davon stammten aus Deutschland, nach dem „Anschluss“ im Jahr 1938 kamen noch einmal ca. 140.000 aus Österreich dazu. Unter den Emigranten war fast die gesamte kulturelle Avantgarde der Schriftsteller und Künstler sowie Wissenschaftler aller Fachgebiete.

Aus dem Hochschulbereich kamen nach Angaben des ›Handbuchs der deutschsprachigen Emigration 1933—1945‹ etwa 2.000 Emigranten. Die Zahl der Vertreter aus Literatur, Publizistik und Presse beläuft sich auf etwa 2.500, aus dem Rundfunk auf 600, aus dem Bereich Theater auf etwa 4.000, aus der Fotografie auf etwa 200 und aus dem Tanz auf etwa 120. Nach Schätzungen haben weit über 10.000 Angehörige wissenschaftlicher, publizistisch-literarischer und künstlerischer Berufe Deutschland verlassen. Zu den exilierten Künstlern und Wissenschaftlern zählten u.a. Theodor W. Adorno, Heinrich und Thomas Mann, Ernst Bloch, Arnold Schönberg, Albert Einstein, Bertolt Brecht, Anna Seghers, Walter Gropius, Oskar Kokoschka, Siegmund Freud, Lise Meitner, Billy Wilder, Max Beckmann und Hannah Arendt.

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